Für Erblasser und Investoren, die an einer langfristigen Anlage im Bereich der Anlageklasse „Kunst“ interessiert sind, spielt die Norm des § 13 I Nr. 2 ErbStG eine herausragende und erfreuliche Rolle, da diese erhebliche Verschonungsmöglichkeiten in Bezug auf gemeinwohlgebundenes Privatvermögen ermöglicht.
In seiner Grundsatzentscheidung von 2016 hatte der Bundesfinanzhof (BFH, Urteil v. 12.05.2016 – II R 56/142016) einige bis dahin zur Steuerbefreiung nicht geklärte Fragen klargestellt. Diese Präzisierungen des BFH bieten Kunstsammlern günstigere Bedingungen im Rahmen der Erbschaftssteuerplanung.
Nach dem Erbschaftssteuergesetz können Kunstgegenstände und Kunstsammlungen unter bestimmten Bedingungen zu 60 % steuerfrei durch Schenkung oder im Wege der Erbnachfolge an die nächste Generation übertragen werden („kleine Kulturgutbefreiung“). Werden darüber hinaus noch weitergehende Bedingungen erfüllt, können Kunstgegenstände sogar zu 100 % steuerfrei verschenkt oder vererbt werden („große Kulturgutbefreiung“).
Die drei Voraussetzungen gemäß § 13 I Nr.2 ErbStG zur Erlangung der „kleine Kulturgutbefreiung“ lauten:
- Die Erhaltung der Kunstsammlung oder Kunstgegenstände muss wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegen. Dieses Erhaltungsinteresse kann entweder bereits durch einen hohen Verkehrswert indiziert sein oder durch Gutachten belegt werden.
- Die jährlichen Kosten (z.B. für Versicherung, Lagerung oder Restaurierung der Kunstwerke) müssen in der Regel die erzielten Einnahmen übersteigen. Diese Voraussetzung ist aus Sicht des BFH erfüllt, wenn das Halten der Kunstgegenstände mangels Einnahmeerzielung „unrentabel“ ist.
- Die Kunstgegenstände müssen für Forschung und Volksbildung zur Verfügung stehen, z.B. über Leihverträge mit Museen und tatsächliche Ausstellungstätigkeit. Den jeweiligen Instituten muss ein jederzeitiges Zugriffsrecht an dem Kunstgegenstand ermöglicht werden, was jedoch nicht bedeutet, dass er dauerhaft ausgestellt oder im Museum gelagert werden muss.
Darüber hinaus ist die Erfüllung zweier weiterer Voraussetzungen erforderlich, um die weitergehende Verschonungsmöglichkeit der „großen Kulturgutbefreiung“- also 100%-iger Steuerbefreiung- geltend machen zu können:
- Der eigentlich Steuerpflichtige muss sich gegenüber der Denkmalbehörde bereiterklären, die geltenden Bestimmungen der Denkmalpflege bezüglich des Kulturguts einzuhalten. Eine Eintragung des Gegenstands in ein Denkmalverzeichnis ist nicht erforderlich. Die Verpflichtung des Steuerpflichtigen gegenüber der Denkmalschutzbehörde oder dem Finanzamt zur konservatorisch einwandfreien und sicheren Aufbewahrung und Pflege des Kunstwerks ist ausreichend. Nach dem BFH-Urteil ist dieses Erfordernis auch als erfüllt anzusehen, wenn ein fachlich einschlägiges Museum sich bereit erklärt, Kunstwerke als Leihgaben zu erhalten oder im Rahmen der wissenschaftlichen Forschung auszuwerten und aufzuarbeiten.
- Die Kunstgegenstände müssen sich am Todestag des Erblassers bzw. dem Tag der Schenkung bereits seit mindestens 20 Jahren im Familienbesitz des Erblassers/ Schenkers befinden (abzustellen ist hierbei auf jedes einzelne Kunstwerk für sich) oder im Verzeichnis national wertvollen Kulturguts gemäß dem Gesetz zum Schutz des deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung gelistet sein.
Die oben genannten Steuerbegünstigungen – bzw. Befreiungen können lediglich für Kulturgüter geltend gemacht werden. In Abgrenzung hierzu greift für Gegenstände, die lediglich dem „Hausrat“ zuzurechnen sind (also z.B. lediglich dekorative Gegenstände, die zur Wohnungseinrichtung gehören und keinen besonderen Wert aufweisen), der Hausrats-Freibetrag. Je nach Steuerklasse des steuerpflichtigen Erben oder Beschenkten bleiben für diese Gegenstände des Hausrats bis zu 41.000 € (Steuerklasse I) bzw. bis zu 12.000 € (Steuerklassen II und III) steuerfrei.
Um die Steuerbefreiung im Bereich der Kunstgegenstände mit Wirkung für die Vergangenheit nicht zu verlieren, müssen Schenkungsempfänger und erbrechtlich Bedachte von Kulturgütern diese zehn Jahre behalten. Hintergrund der Steuerbefreiung ist nämlich, dass verhindert werden soll, dass Erben oder Beschenkte wegen der Steuerbelastung gezwungen sind, die Kulturgüter ins Ausland zu veräußern. Die Abwanderung von für das öffentliche Interesse wichtigen Kulturgütern ins Ausland soll durch die Steuerbegünstigung gerade abgewendet werden. Begünstigt sind nur Kulturgüter, die sich in Deutschland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums befinden und für mindestens zehn Jahre dort verbleiben.
Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit im Rahmen der Erbschaftssteuerplanung ist die langfristige Investition in kulturell wertvolle Immobilen, denn auch Grundbesitz – selbst einzelne Teile davon – kann im Rahmen der Kulturgüter-Steuerbefreiung nach § 13 ErbStG begünstigt sein. So können sogar einzelne Gebäudebestandteile wie Fassaden oder Treppenhäuser zum begünstigungsfähigen Vermögen zählen. Zu beachten ist jedoch, dass auch hier– neben des Vorliegens der oben für andere Kulturgüter genannten Voraussetzungen wie dem 20-jährigen Familienbesitz -erforderlich ist, dass die jährlichen Kosten des Grundbesitzes (wie Abschreibung) die Einnahmen (wie z.B. Mieteinnahmen) übersteigen.
Rechtsanwältin Franziska Stalleicken